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Sich ärgern? Nein, danke! 

 August 10, 2009

Von  Dr. Stefan Fraedrich

Liebe(r) Leser(in)!

Na? Heute schon geärgert? Gründe gibt es ja viele: das April-Wetter im Sommer, Ullas Dienstwagenmissbrauch und all die anderen Idioten um uns herum. Himmel, was könnten wir motzen!

Love it, change it or leave it!

Dabei ärgern wir uns meist völlig umsonst. Denn: Wer ärgert wen? Wir uns selbst! Aber ist unser Ärger überhaupt berechtigt? Falls nein, ist es sinnlos, sich zu ärgern. Falls ja, sollten wir uns fragen, ob der Grund für den Ärger noch aktuell ist. Falls nein, ist das Ärgern wieder sinnlos. Besser lernen wir daraus. Falls aber ja, sollten wir uns nicht ärgern, sondern die Situation aktiv verbessern. Falls das nicht möglich ist, beenden wir die Situation oder wir verlassen sie. Ist das schon geschehen, ist es erneut sinnlos, sich zu ärgern – wir sind ja schon weg. Und falls noch nicht, ziehen wir besser endlich unsere Konsequenzen! Falls wir das Ärgernis aber weder beenden noch verändern können, ist es schon wieder sinnlos, sich zu ärgern – das macht uns nur unnötig fertig. Besser also, wir finden uns mit der Situation ab und nehmen sie an. Sonst würden wir uns schließlich nur selbst ärgern …

Sie merken schon: Es geht letztlich um die altbekannte Maxime „Love it, change it or leave it!“ Ist eigentlich alles okay, sollten wir nicht herummotzen. Besser, wir lernen unser Leben zu lieben: Love it! Ist etwas nicht okay, und wir können es selbst aktiv verbessern, sollten wir das tun, statt sinnlos darüber zu motzen: Change it! Geht das auch nicht, haben wir die Option, die Situation zu verlassen: Leave it! Und ist auch das unmöglich oder unverhältnismäßig, landen wir wieder bei Betrachtung Nummer eins: Es bleibt keine vernünftigere Alternative übrig, als sich mit der Situation abzufinden. Love it!

Warum aber fällt das oft so schwer?

Wer ärgert wen? Du dich selbst!

Am schwierigsten ist wohl, sich einzugestehen, dass Ärgern etwas mit der eigenen Wahrnehmung zu tun hat. Schließlich gilt: Das, was wir beachten, verstärken wir. Und das, was wir nicht beachten, schwächen wir ab. Denn: Gedanken verstärken sich selbst. Alles, was wir schon ein paar Mal gedacht haben, denken wir besonders leicht. Unsere Neuronen verknüpfen bestimmte Bedeutungen und haben es nun von Mal zu Mal leichter, die Verknüpfung zu aktivieren – und darüber hinaus noch sämtliche mit der Verknüpfung assoziierten Gedanken: Wir denken an den FC Bayern – und haben plötzlich Van Gaal, Ribéry, Beckenbauer, die Allianzarena und noch etliches anderes im Kopf, wenn wir unseren Ursprungsgedanken nicht aktiv unterbrechen.

Doch gerade, wenn wir uns ärgern, ist es schwer, unseren Gedankenfluss zu stoppen und in eine konstruktive Richtung zu lenken. Schließlich tut ärgern ja auch ein bisschen gut. Es lenkt Verantwortung von uns selbst („Diese Idioten!“). Wir fühlen uns mächtig und stark („Wenn mir der XY in die Finger kommt!“). Und man kann sich gegenseitig so schön darin bestätigen („Hast du auch schon gehört? Uuuuunmöglich!“). Das schafft Solidarität, Ablenkung, Unschuld. Ach, ist ärgern schön!

Ist Ärger wirklich berechtigt?

Leider fragen wir uns viel zu selten, ob unser Ärger auch tatsächlich berechtigt und nicht nur zwischen unseren Ohren konstruiert ist! Oft genügt ja ein Perspektivwechsel, ein klärendes Gespräch oder eine kleine Information und der Quell unseres Ärgers erscheint in einem ganz anderen Licht. Umsonst geärgert, schade … Hätten wir das nur früher gewusst!

Und falls der Grund für unseren Ärger tatsächlich berechtigt ist, ärgern wir uns dennoch oft umsonst – weil das Ärgernis längst geschehen ist, und wir es nicht rückgängig machen können. Genauso könnten wir uns wochenlang über ein zerdeppertes Glas oder einen Kratzer bei Einparken ärgern – man hielte uns schnell für psychisch angeknackst. Klar, warum: Wir können die Vergangenheit nicht verändern. Punkt. Somit stecken wir unsere Energien in das völlig falsche Thema. Der Ärger an sich ist gaga.

Ist der Grund für unseren Ärger aber noch aktuell, sollten wir schleunigst reagieren und den die Situation verbessern. Denn: Gefühle sind in erster Linie Hinweise, Feedback, Handlungsimpulse. Was läuft gut? Was läuft schlecht? Was sollten wir daraus schließen? Und was daraus machen? Meiner Erfahrung nach ärgern sich vor allem solche Leute besonders intensiv, die in ihrem Leben zu selten erfahren haben, dass sie selbst etwas bewirken können, wenn sie ins Handeln kommen. Stattdessen erleben passionierte Grantler eher ständig ihre eigene Hilflosigkeit. Klar: Sie granteln ja auch lieber, statt Ärger konstruktiv als Verbesserungsvorschlag zu betrachten, den Grund aktiv anzugehen und dadurch die Ursache für den Ärger zu beseitigen. Nein, so einfach kann das nicht gehen – sonst hätte man sich ja umsonst geärgert! Wie unangenehm … Und so wird das Ärgern dann leider zum Selbstzweck. Zur subjektiven Weltsicht des Opfer-Typus.

„Schluss jetzt, nicht mit mir!“

Und was, wenn der Ärger berechtigt und aktuell ist und wir einfach nichts daran verändern können? Dann bleibt uns immer noch die Alternative, die Situation zu beenden. Schmeißen wir doch einfach den Kram hin! Nichts und niemand hat ein Recht darauf, uns ständig zu ärgern! Das Signal sagt: „Hau ab! Such dir was Neues!“ Und dann sollten wir das auch tun. Erhobenen Hauptes. Und noch ehe uns das Dauerproblem einen Psycho-Knacks verursacht. (Übrigens: Kennen Sie Menschen, die ein offensichtliches Problem über Monate und Jahre nicht lösen? Die Ärmsten! Manchmal laufen die sogar ganz schief vor lauter Minderwertigkeitsgefühlen und subjektiver Last auf ihren Schultern …) Also: Sagen wir rechtzeitig „Schluss jetzt, nicht mit mir!“, und dann machen wir uns vom Acker! Anstatt uns wieder sinnlos zu ärgern. Immerhin haben wir jetzt im weiteren Verlauf unseres Leben einen Vorteil: Wir wissen nun, welche Situation wir nicht mehr gebrauchen können. Wir haben gelernt. Danke, Ärger!

Ach, Sie wissen das alles und sind trotzdem noch da? Was ist denn mit Ihren los? Wie lange wollen Sie sich das denn noch antun? Könnte sein, dass Ihr Dauerärger eine Art Rille in Ihrem Denken geschaffen hat, aus der Sie nur mit Mühe wieder rauskommen. Wie eine Platte mit Sprung. (Für die Jüngeren: Auf Langspielplatten hat man vor CD und MP3 Musik gespeichert. Schaut mal bei Wikipedia nach. Kicher …) Blöde Sache, denn dann ist das Ärgern streng genommen gegenstandslos geworden. Es ist zu einer Art Gehirn-Furz mutiert – nicht mehr die Blähung ist das Problem, sondern die Erinnerung daran. Kurz: Es wird Zeit für Sie, zu lüften. Also: Machen Sie das Fenster auf, zur Not mit Gewalt! Schreien Sie innerlich „Stopp!“, wenn Sie mal wieder in Ihre Rille geraten! Suchen Sie sich ein Ritual, das Sie rausholt aus Ihrem Loch – gehen Sie joggen, streicheln Sie den Hund oder knutschen Sie Ihren Nachbarn! Defibrillieren Sie irgendwie die sinnlosen Ärger-Kreisel Ihrer Gedanken! Und dann sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen.

Das Unveränderbare annehmen

Was aber, wenn wir berechtigten aktuellen Ärger weder verändern noch verbessern können? Wenn die Situation bleibt, wie sie ist, egal, was wir tun? Nun, dann haben wir immer noch eine weitere Option: Nehmen wir die Situation an! Akzeptieren wir sie! Arrangieren wir uns mit ihr! Nehmen wir uns selbst nicht so wichtig! Schalten wir innerlich auf Leerlauf und sagen: „Es ist, wie es ist!“ Denn letztlich ist es die Bedeutung der Situation, mit der wir unseren Ärger erschaffen. Und welche Bedeutung wir der Situation geben, hängt wiederum von uns selbst ab. Von unserer Wahrnehmung. Unserem Ego. Unserer Flexibilität. Unserem Optimismus. Unserer Coolness. Unserem ökonomischen Umgang mit den eigenen Gefühlen.

Denn: Ärgern können wir uns eben letztlich doch nur selbst. Über das April-Wetter im Sommer, Ullas Dienstwagenmissbrauch und all die Idioten um uns herum.

Ihnen einen wunderschönen August!

Herzliche Grüße
Stefan Frädrich

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