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Sind wir nicht alle ein bisschen süchtig? 

 Februar 6, 2012

Von  Dr. Stefan Fraedrich

Liebe Schweinehundefreunde,

vor ein paar Wochen habe ich mir beim Fussballspielen ein Band im Knöchel angerissen. Das tat weh, und am Anfang konnte ich ein paar Tage lang kaum laufen. Dumme Sache.

„Lass das sein!“, sagt der innere Schweinehund

Besonders unangenehm war aber etwas ganz anderes: Ich bin es ja gewohnt, mindestens dreimal pro Woche Sport zu machen – und dabei entsprechend mein Herz-Kreislaufsystem  anzukurbeln. Sie ahnen schon: Schwierig mit einem kaputten Knöchel … Und so begann mein innerer Schweinehund schon binnen weniger Tage am Rad zu drehen: „Los, beweg dich endlich wieder! Häng nicht so faul herum!“ Zwar versuchte ich, mit ein wenig Hanteltraining entgegenzusteuern, aber die echte Befriedigung eines eineinhalbstündigen Fussballspiels oder einer ausgedehnten Laufrunde wollte sich nicht einstellen. Ekelhaftes Gefühl.

Nun, gestern habe ich mich zum ersten Mal wieder aufs Laufband gestellt. Ganz piano. Bei sieben km/h eine halbe Stunde mal wieder das Fußgelenk durchbewegt. Keine wirkliche Herausforderung für mein Herz-Kreislaufsystem, von einem echten Kardiotraining weit entfernt. Meinem inneren Schweinehund war das aber egal: „Lass das sein, es ist viel zu früh für das Laufband!“, wollte er mich bremsen. Oder: „Laufen ist bescheuert, mach lieber Hanteltraining!“, riet er mir. Obwohl das Gelenk nahezu schmerzfrei funktionierte und ich nicht einmal richtig ins Schwitzen kam! Seltsam …

Gewohnheiten sind Süchten sehr ähnlich

Seltsam? Nicht wirklich. Immerhin sind innere Schweinehunde Gewohnheitstiere: Was sie eine Weile tun, halten sie für normal – und wollen es weiterhin tun. Man kann sich demnach alle möglichen Verhaltensweisen angewöhnen und so mit erstaunlich geringem Aufwand betreiben: Sport machen (oder keinen Sport machen), konzentriert arbeiten (oder unkonzentriert), seine Beziehung pflegen (oder auf den Paartherapeuten warten) und so weiter.

Der Aufwand also, das Richtige oder das Falsche zu tun ist gleich groß – die Frage ist nur: In welche Richtung handeln wir dauerhaft? Die hält Günter nämlich für normal, weswegen sie uns leicht fällt. Ja, wir bekommen wir sogar ein doofes Gefühl, wenn wir gegen unsere Gewohnheiten handeln: „Mach es so wie immer!“, rät Günter dann. Warum? Weil uns ohne unsere vertrauten Verhaltenweisen nun etwas fehlt.

Insofern kann man Gewohnheiten fast mit Süchten vergleichen. Und: Das wichtigste Merkmal einer Sucht ist nicht, dass der Suchtstoff an sich nur irgendwie „sehr gut tut“. Ich esse zum Beispiel sehr gerne Pizza, ohne dass ich danach süchtig wäre. Denn: Ich halte es ohne Pizza schon mal wochenlang aus – ohne ein einziges Meckern meines innerern Schweinehundes! Das Hauptmerkmal einer Sucht ist nämlich etwas ganz anderes: das Gefühl zu haben, dass einem ohne den Suchtstoff etwas Wichtiges fehlt!

So können sich zum Beispiel Raucher ein Leben ohne Zigaretten nicht mehr vorstellen – wie soll man ohne Kippen Stress, Langeweile oder Glück ertragen? Oder ein Leben ohne einen ganz bestimmten Menschen erscheint nicht mehr vorstellbar – wenn eine Beziehung suchtähnliche Formen angenommen hat. Wir können süchtig werden nach dem Job, Sex, Alkohol, dem abendlichen Fernsehen – oder eben nach dem lieben Sport. Alles kann „Ich-brauch-das-hier-und-jetzt!“-Reflexe auslösen. Wir können vom allem ein bisschen süchtig werden.

Sucht ist weder gut noch schlecht – nur WONACH wir süchtig sind, ist gut oder schlecht

Insofern ist der Begriff „Sucht“ zunächst einmal wertfrei zu sehen. Er bedeutet lediglich: „Dieses oder jenes ist mir so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich es brauche!“

WAS GENAU wir jedoch brauchen, ist weniger wertfrei: Denn wo die einen intakte Beziehungen brauchen, gesunde Ernährung oder einen befriedigenden Beruf haben sich andere an Bäumchen-wechsel-dich-Routinen, Junk Food und einem 08/15-Job gewöhnt, der monatlich die Miete sichern soll. Warum? Eben WEIL sie sich daran gewöhnt haben! Weil sich ihr innerer Schweinehund an den Status Quo angepasst hat, ja danach „süchtig“ geworden ist. Pech …

Also: Machen wir uns diesen Mechanismus aktiv zu Nutze! Fragen wir uns: Welche Verhaltensweisen sollen uns in Fleisch und Blut übergehen? Eben doch der Sport? Das konzentrierte Arbeiten? Ein Leben als Nichtraucher? Erfolge als gute Führungskraft, als liebevolle Eltern, Partner, Geschwister?

Na denn los! Machen Sie aus Ihren Wünschen Handlungen! Und dann Gewohnheiten. Bald werden Sie nicht mehr ohne sein können, Sie „Glückspilz“ …

Einen sonnigen Februar noch!

Herzliche Schweinehundegrüße

Ihr

Stefan Frädrich

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